Nachtslalom: nie wieder

Als ob dich jemand schreckt, so durchfuhr es mich als ich den Schiläufer von ganz oben auf der Schladminger Planai hinunterbrettern und krachen sah und hörte. Der Mund stand offen und die Daumen inklusive Schultern waren verkrampft. Beim Zielsprung glaubte ich in der letzten Reihe im Postbus zu stehen, wenn er über die scharfen Kuppen der Riesstraße fährt. Ich sprang mit. Ein mitreißender Aufschrei von tausenden Zuschauern elektrisierte mich und die Menschen, die mich umgaben. Die Atmosphäre erinnerte an einen orientalischen Markt.

Jeder war beschäftigt in seiner kleinen Gruppe, mit der er gekommen war, zu reden und zu quasseln. Ich war alleine gekommen, wurde dauernd angesprochen und in die Gespräche mit eingeladen, bekam zu Trinken angeboten, hörte den Witz, den meinem Nachbar für die Allgemeinheit beigesteuert hatte, fühlte mich als Teil eines Ganzen. Der Senior vor mir hackte, wie selbstverständlich die Schneestufe tiefer, damit ich nicht abrutsche und die beiden hübschen Mädels schräg oberhalb, versuchten mit jedem im Umkreis einiger Meter zu flirten. Es hatte etwas von einem Jahrmarkt an sich. Gut die Hälfte der Unterhaltung machte sich das Publikum selbst. Einen konnte es nur der Platzsprecher, der die Aufmerksamkeit ab und zu wieder auf die Sportler lenkte.

Heuer zählte ich mich zu den zigtausenden, die den Nachtslalom besuchten. Die Unterschiede zu meinen Empfindungen von damals beutelten mich durch. Derselbe Hang, tollkühne Schifahrer und viele Menschen und doch schien die Szene von einer Art erstarrter Einsamkeit überzogen. Die unsichtbaren Verbindungen unter den Menschen waren gebrochen, wie die in den Darstellungen gespaltener Moleküle bei chemischen Verbindungen. Ich konnte fast keine Kommunikation zwischen den Besuchern finden. Auch nicht innerhalb, in Bussen angereister Gruppen. Die Umtriebigkeit ein Bruchteil von damals. Woran lag das?

Ich ließ meine Augen über die Szene gleiten und da war die Ursache: Das Fernsehen, besser gesagt waren es die Großbildschirme, die die Aufmerksamkeit der Massen auf sich zogen wie Magnete, die Eisenspäne auf einem Tisch zuerst zu sich drehen und dann zu sich ziehen.
Menschen direkt an der Piste betrachteten die Schifahrer nicht live sondern nur deren elektronische Abbildungen. Die Augenkontakte zwischen den Mädchen und Burschen wurden mit Gewalt durch die Anziehungskraft der Anzeigemonster getrennt. Die Männer mit den mitgebrachten Schaufeln, gruben sich Sitze die nicht zu den Slalomstangen gerichtet waren sondern zum Großformatfernseher. Selbst gegen die unzähligen Werbeeinschaltungen schien die hereinbrechende geheimnisvolle Nacht, die strahlende Inselkulisse des Stadions und die klirrende Schönheit der Nacht keine Überhand zu bekommen. Enttäuscht vom, ins Smartphone starrenden Nachbarn fasste ich den Entschluss: Nie wieder…

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